Warum sollte man das tun, Shackletons Weg nachsegeln, nachgehen, von Elephant Island nach Südgeorgien im Segelboot, dort die Insel auf Shackletons Route überqueren? Es ist getan worden, nicht oft, bislang nicht so spektakulär wie in Arved Fuchs’ Reenactment von 2000. Alles ist getan worden, es bleiben in unserem postheroischen Zeitalter keine ungetanen Taten mehr übrig, keine leeren Orte, kaum weiße Stellen auf Land- und Seekarten. Es ist nach wie vor beschwerlich, gefährlich, schwierig, es gibt keinerlei Gelingensgarantie, aber Geschichte wird es nicht schreiben. Warum sollte man es trotzdem tun?
Eine Geschichte von Sehnsüchten und Obsessionen
DIE ÜBERQUERER
Andrea Badrutt, Fotograf, Kletterer, Gestalter
Seit vielen Jahren fasziniert mich das Karge, das Kalte, das Menschenleere. Suche ich die tiefe Verbundenheit mit der Natur und finde sie in den Bergen. Südgeorgien … Segeln durch das wildeste Meer … Ein fast unkartographiertes Gebirge durchqueren. Das heißt für mich Unbekanntes erleben und durchleben. Sicher aber nur mit einem Team in dem ich mich wohlfühle – alles andere ist undenkbar. In dieser Reise sehe ich Sujets für meine Kameras, Gefühle für mein Leben, Geschichten, die mich für immer begleiten werden. Neue Horizonte, die mein Dasein erweitern. Genau dies ist es, was mein Leben spannend macht und mich motiviert. Und nicht zuletzt – bin ich immer auf der Suche nach Seelenverwandten.
Markus Gujan, Alpinist und Bergführer
In den Graubündner Bergen aufgewachsen, gewohnt, inmitten von Schnee, Eis und Fels zu leben und es zu genießen, fasziniert mich das Unbekannte. Eine Reise Richtung Südpol war immer schon mein Wunsch, mit der S.E.A. Expedition bekomme ich die Möglichkeit dazu. Neue Welten und unbekanntes Territorium zu entdecken. Die Kraft der Naturgewalten auf für mich ungewohntem Terrain zu erfahren und zu spüren. Das Segeln durch wilde Meere, das Begehen kalter, karger Gebirge – es erfüllt mich mit Ehrfurcht. Und zugleich ist es sehr motivierend, eine so historische Route mit guten Leuten erleben zu dürfen. Dies sind die fundamentalen Erlebnisse, die das Leben mit Spannung erfüllen und uns bereichern.
Wolf Kloss, Kapitän und Polarfahrer
Ich bin auf der Suche nach einem Seelenverwandten, der wie ich sein Lebensziel in polaren Reisen sah. Der um seine ersehnten Reisen, wie ich, kämpfen mußte. Der ebenso Entbehrungen und Leiden auf sich nahm, um dieses Leben führen zu können. Meuterei auf der Santa Maria nach Sturm im dichtem Eis südlich des Polarkreises; leckgeschlagen nach Kollision mit Eisberg; Verletzte nach Kentern in den Freakwaves der Drake Passage; Legerwall bei 70kn vor Kap Hoorn; nervenzerreißende Momente während des scheinbar ziellosen Mäanderns durch die Eisfelder der Nordwestpassage, und die Zeit tickt gnadenlos gegen dich auf deinem 3000-Meilen-Spurt … durch Motivation und Disziplin habe ich die Mannschaft immer wieder aus Situationen wie diesen herausführen können. Mit der Südgeorgien-Expedition hoffe ich, Shackleton noch näher zu kommen, ihn besser verstehen zu lernen, dieses Wissen zu bewahren und weiterzugeben.
Adrian Räz, Bergführer und Geograf
Südgeorgien. Warum? Eine Reise ans Ende der Welt. Warum? Weil wir die Möglichkeit dazu haben. Neues zu entdecken. Grenzen auszuloten. Im Eis unterwegs zu sein. Das Meer zu spüren. Seit ich mich im Studium mit Gletschern und Schnee befaßte, wollte ich ins ewige Eis. Gedacht hatte ich an ein Forschungsschiff, um wissenschaftlich zu arbeiten – ganz in der Tradition der historischen Polarfahrer. Die Vorstellung, während der Überquerung wissenschaftliche Daten sammeln zu können, voraussichtlich in Kooperation mit der TFH Berlin, ist unendlich reizvoll. Andererseits, als Bergführer, reizt es mich, den logischen Weg über unbekanntes, unbegangenes Terrain zu finden. Mich auf die Spuren der legendären Expedition von Sir Ernest Shackleton zu begeben, ist eine einmalige Chance und eine große Aufgabe. Es gibt nicht mehr viele derart leere, wilde Flecken auf der Erde.
Ray Timm, Universalgelehrter und Geschichtenerzähler
Neugierig, recht temperamentvoll und entschlossen, bin ich für jedes Abenteuer zu haben. Als Manfred mich fragte, ob ich in die Antarktis und nach Südgeorgien mitfahren wolle, habe ich ohne zu zögern zugesagt – es ist für mich die Chance, ein langgehegtes Ziel zu verwirklichen. Obwohl diese Reise einen Plan und ein Ziel hat, steht der Erfolg nicht von vorneherein fest. Täte er das, wäre es ein geplantes Abenteuer, und das ist ein Oxymoron. Zudem denke ich, meine Fähigkeiten und mein generelles Wissen können zum Erfolg der Expedition beitragen.
Tina Uebel, Schriftstellerin, Journalistin, Polarsüchtige
Step by step, I invaded a world untrodden and unknown. Dulled as I was by hardship, I thrilled with the sense of the explorer in new lands, with the thrill of discovery and conquest, Zitat Frederick Cook, Polarfahrer. Jeder Meter der Welt ist untrodden and unknown, solange man ihn nicht selbst beschritten hat. I thrill with the sense of the explorer in new lands, with the thrill of discovery and conquest. Ich kann keine Geschichte mehr schreiben, aber ich schreibe Geschichten. Und die polaren Lande ergreifen das Herz eines Menschen, der in ihnen gelebt hat, in einem Maße, das diejenigen, die das Gehege der Zivilisation nie verließen, kaum je verstehen werden. Wenn wir von den Polargebieten reden, müssen wir von Obsession reden.
Manfred Walter, Vater, Bergsteiger, Seakayak-Guide
Dort wo alle sind, ist es mir zu eng. Deshalb muss ich immer wieder an Orte wo niemand ist, in Gegenden auf unserem Planeten, welche sich (noch) nicht kultivieren lassen. Dort finde ich die Stille, von der ich durchdrungen werden möchte, so wie von einer Demut vor der Schöpfung, dem Paradies, dort, wo es noch intakt ist. Wohl aus den gleichen Gründen zog es mich als neugieriges Kind in den Wald, später in die Berge, aufs Meer und ins Polareis. Das Kind in mir und die Neugier sind geblieben. Und so natürlich wie mein Staunen über die unglaubliche Fähigkeit der Inuit, in der lebensfeindlichen Arktis über Jahrtausende überleben zu können, staune ich über den Drang und den unbändigen Willen von Menschen wie Shakleton, aufzubrechen und kompromisslos und unter unvorstellbaren Entbehrungen Träume zu verwirklichen. Wie hätte ich unter diesen Vorzeichen nein sagen können, an dieser Expedition teilzunehmen?
DIE SEGLER
Nikolaus Hansen, Segler, Verleger, Übersetzer
Immer, seit ich in den Siebziger Jahren auf Weltreise in tropischen Gewässern und später im Mittelmeer und der kühlen Ostsee segelte, habe ich mich gefragt, wie es wäre, in der Kälte, im Eis. Als Kind las ich Slocums Bericht von der Durchsegelung der Magellanstraße; 1977 las ich Chatwins In Patagonien; als ich 1995 das Endurance-Buch von Caroline Alexander in Händen hielt und darin von den unerhörten Leistungen Shackletons erfuhr, stand für mich fest, daß ich irgendwann selbst dorthin, in diese Eiswelt würde segeln müssen. 1998 mit der MS Hanseatic immerhin auf Elephant Island Spuren von Shackleton begegnet; die Südgeorgien-Expedition aber bedeutet die wirkliche Erfüllung dieses alten Traums – und die Möglichkeit, am eigenen Leibe etwas davon zu erfahren, zu erspüren, zu evozieren, was Shackleton und seine Leute damals erlebt und durchlitten haben müssen.
Daniel Holleis, Techniker, Seemann, Bergliebender, Freigeist
In Österreichs Bergen aufgewachsen, vor neun Jahren die Elf-Meter-Segelyacht vom Vater übernommen und zwei Jahre die West Indies besegelt. Einhand über den Atlantik zurück nach Europa geschippert und seither mit meiner Freundin Beate unterwegs. Nach fünf Jahren Nordatlantik die Flucht in den Süden. Seit zwei Jahren in Patagonien zuhause und vor einem Jahr auf der Santa Maria Australis angeheuert.
Und wenn wir nicht gerade mit unserem Bötchen in einer verschneiten Bucht liegen oder mit den Tourenski unterwegs sind, dann kombinieren wir mit der Santa Maria Australis alles miteinander: Segeln, Bergsteigen, Abenteuer, Länder und Leute, Wind und Wellen … ein Traum von Freiheit. Diesmal führt er uns nach Südgeorgien, und ich bin stolz, an dieser Expedition teilzuhaben.
Beate Löcker, Seglerin, Schneesportlehrerin, geschulte Näherin
Mein Leben lang war ich von Bergen umgeben, bergauf zu laufen war eine natürliche Sache, bis mich vor sieben Jahren mein Freund Daniel in die Segelwelt entführte. Eine Welt, die aus Abenteuern, Hochs und Tiefs und keinem modernen Schnickschnack besteht. Der einzige Luxus ist, die Natur und Umwelt ohne Ablenkungen genießen zu dürfen.
Fast unvorstellbar, daß vor 100 Jahren Ernest Shackleton seine Mannschaft nach zwei Überwinterungen in der Antarktis ohne Verluste nach Hause brachte. Diese Seemänner hatten einen unglaublichen Überlebenswillen, und nur durch ihre gefährlichen Expeditionen und die daraus folgenden Erfahrungen wurde der Weg in diese Gebiete bereitet. Ich frage mich oft: Wie würde es uns heutzutage ergehen, ohne all die Entdecker und Forscher vor unserer Zeit?
Viktor Niemann, Segler und Verlagsmensch
Am Chiemsee aufgewachsen und früh das Schwimmen und Segeln gelernt. Als „hilfswilliger“ Segellehrer am Steinhuder Meer die Ferien vor dem Abi verbracht. In Ostsee, Nordsee und Ägäischem Meer gesegelt bis in die 80er Jahre. Was mich an Südgeorgien reizt … Ist es Sehnsucht nach dem Abenteuer? Nein, eher Romantik und Shackleton! Noch mal eine große Fahrt unternehmen. Das Interesse am Fremden und Geheimnisvollen, den Zauber unberührter Natur erleben. „Authentische Erfahrung“ nennt man das wohl. Ich liebe die Seefahrt, auch wenn sie einen naß, elend und krank machen kann. Aber Käpt‘n, Crew und Gottvertrauen werden es richten.
Jaap Oosterveld, Polarsüchtiger, Weltreisender, Sportlehrer
Alles beginnt mit der Sucht, der Sucht nach den Polargebieten. Nach Lappland getrampt, als Teenager, mein erster Schritt. Damals war mir nicht klar, daß dies bereits „fatal“ gewesen ist. Ich bin hilflos, es hört niemals auf! Was in der Leere der Polargebiete ist es, das diese Sucht verursacht? Ich fürchte, ich kann es nicht erklären. „Geht dorthin und ihr werdet es erfahren“, würde ich sagen. Über die Jahre habe ich einige Zeit nördlich bzw. südlich der Polarkreise verbracht: Spitzbergen, russische Arktis, Grönland, Nordwestpassage, verschiedene Gebiete der Antarktis, subantarktische Inseln wie Macquarie, Campbell, Südgeorgien. Oft brachte mich ein Segelboot dorthin. Segeln ist die angemessenste Art des Reisens, denn es hält mich in Berührung mit der Welt, anstatt mich zu einem Zuschauer zu degradieren. Den Rest gab mir die Lektüre von Shackletons South, der unglaublichsten und beeindruckendsten Abenteuergeschichte, die man sich vorstellen kann.
Und was nun könnte ein besserer Weg sein, dem Geschehen zwischen Elephant Island und Südgeorgien vor einem Jahrhundert nahe zu kommen, als dorthin zu segeln und ein Stück Geschichte zu erfahren …?!