„Jetzt gehen wir nochmal schnell zur Südsee rüber!“
Ausgelassen zeigt Janet in Richtung der kleinen Anhöhe. Ich blicke mich erstaunt um. Zu unserer Rechten steht ein Pfau. Er schlägt kein Rad, er schaut uns nicht an, bleibt stumm. Linkerhand liegt eine Frau, hingeworfen auf eine Plastikliege. Sie ist sehr breit, auf ihrer Schulter eine bunte Tätowierung. Ein Junge sitzt neben ihrem fast leblos anmutenden Körper und sieht uns mit leerem Blick an. Er muss ihr Kind sein, denke ich, die Ähnlichkeit ist frappierend.
Wir ersteigen über ein paar Stufen die Erhebung und spazieren an der im Sonnenlicht glitzernden Lagune vorbei. Unter einem Wasserfall plantschen Menschen. Sie sind nicht nackt, obwohl ich der tiefen Überzeugung bin, dass man sich unter einem Wasserfall grundsätzlich unbekleidet räkeln muss. Im selben Augenblick verwerfe ich diesen Gedanken wieder, nein, es wäre keine gute Idee, niemand möchte euch Plantscher blank ziehen sehen. In anderen Kulturen badet man vollbekleidet, das wäre vielleicht sogar noch besser, als diese schmale Badebekleidung hier. Klarer Punkt pro Hinduisierung des Abendlandes.
Über dem Wasserfall stehen drei Hütten. „Das sind Junior Suites am Rand des Regenwaldes, mit Blick über die Lagune!“, erklärt die führende Frau begeistert.
„Eine Übernachtung hier ist echtes Abenteuer!“
Mal schnell zur Südsee? Das war wirklich übertrieben, gute Frau, denke ich, da ist doch erst mal der Regenwald! Doch die Dame kennt sich aus. Es gibt einen Tunnel, einen Schleichweg, die Abkürzung direkt zur Südsee.
Ich lasse das Wort wieder und wieder auf meiner Zunge zergehen,
Südsee
– mein jahrelanger Traum, seit ich in jungen Jahren in einem sogenannten Lustigen Taschenbuch eine fesselnde Abenteuergeschichte gelesen hatte…
„… Bei einem Bootsausflug in der Südsee ankern Micky und Goofy in der Lagune einer kleinen Insel, wo sie im Wasser die Überreste einer erloschenen Kultur entdecken. Zwischen den Ruinen finden sie einen riesigen Rubin. In diesem Moment taucht Kater Karlo auf, der mit seinem Segelboot unterwegs ist, um unbrauchbaren Tand an Seeleute und Insulaner zu verkaufen. Karlo wittert sofort, dass Micky und Goofy eine wertvolle Entdeckung gemacht haben müssen, und spioniert sie mit einem Abhörgerät aus. Um Goofy den Rubin abzujagen, nutzt Karlo dessen Schwäche für Meerjungfrauen aus, und verkleidet sich als Meermaid Klarissa, die mit viel Charme Goofy zur Herausgabe des Edelsteins bringen will.“
„Gerade als die List funktioniert, ergreift ein heranziehender Orkan die drei und wirbelt sie mit allerlei Treibgut durcheinander. In die Jagd nach dem Rubin wird nun auch noch ein Pelikan hineingezogen, der Micky und Goofy zwar aus dem Orkan befreien kann, den Rubin aber über der tiefsten Stelle des Ozeans fallen lässt…“
Noch heute stehen mir die Haare zu Berge (vor Aufregung), wenn ich an die Bilder voller Palmen und Meerjungfrauen denke. An die echten natürlich, nicht an Karlo als Klarissa, da wäre ich nicht drauf reingefallen.
An der Südsee
Die Südsee ist eine herbe Enttäuschung.
Kinder, was für eine Enttäuschung.
Wir stehen vor der Südsee
und im Himmel ist ein Loch.
Reingefallen! Südsee, hehe! Habt ihr kurz geglaubt, ne?
Nun, Spaß beiseite.
Jetzt kommt die Wahrheit.
* * *
Leserpost
Schreib uns, was Du denkst!
Marco on 20. März 2016
Hahahah, das Tattoo! Ich will auch eins!
Chapeau davor, dass Du nach dem Besuch wusstest, was man über das Tropical Islands schreiben soll! Mir fehlten die Worte…
Johannes Klaus on 28. März 2016
:) Es war ein Erlebnis!
Egbert on 20. März 2016
Was für ein unsäglicher Beitrag! Lesen wir demnächst von Exkursionen ins Phantasialand oder Legoland? Ätzend!
Johannes Klaus on 28. März 2016
Wir werden deine Themenvorschläge gerne diskutieren! Legoland klingt gut!
kate on 20. März 2016
hi johannes,
schön, dass du dich selbst nicht so ernst nimmst.
ich hab’s gerne gelesen.
Johannes Klaus on 28. März 2016
Freut mich!
Stefan on 20. März 2016
Vielleicht ist die Frage, was sich hinter diesem Loch im Himmel verbirgt eine der letzten Mysterien der Menschheit. Wir stehen ganz kurz vor bahnbrechenden Erkenntnissen.
Sie, lieber Autor, haben die Courage bewiesen diesen wilden, ursprünglichen Ort zu erforschen.
Mit kolonialen Grüßen!
Johannes Klaus on 28. März 2016
Ein kleiner Schritt für mich, aber…
Renartis on 20. März 2016
Es erinnert an Die Truman Show!
Johannes Klaus on 28. März 2016
Absolut!
Jenny on 21. März 2016
Ich verneige mich vor dir, Johannes. Das ist Reisejournalismus!
Jenny
PS: Dein Erlebnis hast du in wesentlichen Teilen mir zu verdanken. Ohne meine Cargolifter-Aktien… schnüf.
Johannes Klaus on 28. März 2016
Vielen Dank, Jenny! Auch für deinen großzügigen Beitrag zur Finanzierung!
Ariane on 21. März 2016
Das ist schon echt ziemlich arger Größenwahn… Ich muss ja ehrlich sagen, ich war nie dort, hab mich aber im Geographiestudium ein bisschen mit dem Tropical Island beschäftigt. Interessant sind dabei die Benennungen von zB. Restaurants und die ganze Gestaltung an sich – man versucht nicht, eine reale Gegend auf der Welt oder eine bestimmte Kultur abzubilden, sondern zieht einfach alles, was irgendwie „tropisch“ und nach Urlaub klingt (egal, ob afrikanisch, asiatisch oder karibisch) zusammen und wirft es in einen Topf. Deshalb fand ich deine Assoziation mit Mars passend, ohne das Ganze je selbst erlebt zu haben: Man ist einfach völlig außerhalb jeder räumlichen Festlegung.
So, und jetzt, was ich eigentlich sagen wollte: Toller Beitrag! Ich finds faszinierend, wie du es schaffst, aus so einem Kurzurlaub so eine Geschichte zu spinnen :) Hab ich sehr gern gelesen.
Johannes Klaus on 28. März 2016
Danke, Ariane! Mir hat’s auch Spaß gemacht!
Philipp on 22. März 2016
Sehr geil – sehr gelacht!
Johannes Klaus on 28. März 2016
:D
Chris on 27. März 2016
Respekt, dahin habe ich mich wahrlich noch nicht getraut! Wart ihr am selben Tag dort wie Olli Schulz? Jedenfalls witziger Beitrag, mal was anderes!
Johannes Klaus on 28. März 2016
Nein, aber Olli Schulz hat das Internet definitiv mehr bewegt :)
Norah on 27. März 2016
Da fahr ich dann doch lieber mit Micky und Goofy in die echte Südsee.
Obwohl…. so eine Ballonfahrt wär schon ganz geil. Und ein sexy Tattoo wollt ich auch schon immer mal haben. Und die vielen schönen Menschen dort. Auf geht’s zur tropischen Insel!
In wenigen Minuten hast du mich von einer Reisenden zur Touristin gemacht. Herzlichen Dank auch.
Johannes Klaus on 28. März 2016
Do it!!!