Noch vor Ort habe ich drei Ingenieure aus der Region getroffen. Sie wollen für mich in Erfahrung bringen, ob man einen der drei Brunnen Nanderes reparieren kann. Daraus ergibt sich ein anderer Plan: Da Nandere auf einem kleinen Hügel liegt, soll ein neuer Brunnen am Fuße des Hügels gegraben werden. Über eine elektrische Pumpe und fast 500 Meter Rohrleitungen soll das Wasser in das Dorf hinaufbefördert werden. Ich fordere die Kostenvoranschläge der drei Ingenieure an, erhalte nach einigen Wochen jedoch nur zwei.
»Wenn du nur einen Wunsch hättest, was würdest du dir wünschen?«, habe ich die Menschen im Dorf vor meiner Abreise gefragt. Fast alle antworteten mit »Wasser« oder »Regen«. Dieser Wunsch der Menschen ist seitdem mein Ansporn. Um ihn zu erfüllen will ich viel arbeiten und alles tun, was in meiner Macht steht. Im Juni 2015 nimmt das Projekt Gestalt an. Ich launche die Spendenseite auf betterplace.org.
Vorher rechne ich hoch, wie ich das Spendenziel erreichen kann. »Auf Facebook hat mein privates Profil 707 Freunde. Spendet nur jeder zehn Euro, so haben wir das Spendenziel überschritten«, schreibe ich auf meinem Blog.
»Und mal ehrlich: Wie viel sind zehn Euro? Drei Bier in der Kneipe? Ein Cocktail in der Bar? Ein kleines Abendessen im Restaurant? Zwei Schachteln Zigaretten? Worauf kannst du einen Tag verzichten?«, führe ich meine Worte fort. Ich bin davon überzeugt, dass wir bis zum nächsten Jahr den notwendigen Geldbetrag sammeln können.
Meine Rechnung geht nicht auf.
In den Monaten Juni (1466 Euro), Juli (185 Euro) und August (373,50 Euro) sammeln wir insgesamt 2024,50 Euro. Das Projekt ist im Juni sehr gut gestartet, besonders die Leser meines Blogs, Freunde und Familienmitglieder spenden großzügig. Doch irgendwann ist die Reichweite meines Blogs erschöpft und ich muss neue Wege gehen. Ich muss das Projekt größer machen. Also schließe ich mich mit Katrin, einer befreundeten Bloggerin, zusammen. Sie hat bereits einige Male geäußert, wie gut sie das Brunnenprojekt findet, und ihre Hilfe angeboten. Mit ihrem Freundeskreis, der Geschenkalternative »Spenden statt schenken« an Geburtstagen und der Reichweite ihres Blogs werden neue Spender gefunden.
Ich mache mich auf die Suche nach einem Verein. Damit will ich dem Projekt in der Außenwirkung die Relevanz geben, die es verdient. Außerdem brauche ich dringend fachliche und rechtliche Unterstützung. Ein gemeinnütziger Verein ist zudem in der Lage, Spendenbescheinigungen auszustellen, denn bisher gelten alle Spenden als Schenkung an mich als Privatperson. Mithilfe des Vereins will ich eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, um langfristige Unterstützung garantieren zu können, denn niemandem ist geholfen, wenn die Pumpe des Brunnens nach einem Monat reparaturbedürftig ist und keine finanziellen Mittel bereitstehen, um sie zu warten.
Die Suche verläuft schwierig. Viva con Agua ist das Projekt zu klein. Ingenieure ohne Grenzen e.V. hat keine freien Kapazitäten. Erst Technik ohne Grenzen e.V. äußert Interesse an dem Projekt, warnt mich vor langwierigen bürokratischen Herausforderungen und stellt mir mit Hannes einen tatkräftigen und erfahrenen Projektleiter zur Seite. In Leipzig lerne ich ihn und seine Regionalgruppe kennen. Ich gebe mich bei dem Treffen etwas enttäuscht, denn zu diesem Zeitpunkt habe ich erst 2.328,50 Euro von 7015 Euro gesammelt. Die Mitglieder des Vereins verstehen meinen Frust nicht, klopfen mir auf die Schulter und meinen, dass das ein sehr großer Erfolg sei.
Doch mir geht es nicht schnell genug, ich wollte das Geld längst zusammenhaben.
Vor einigen Jahren war Hannes bereits in Ghana aktiv und hat dort ein Recyclingprojekt aufgebaut. Gemeinsam stecken wir uns neue Ziele und suchen zunächst einen Ingenieur, den wir nach kurzer Zeit in Steffen finden. Hannes und Steffen kennen sich bereits von früher.

Unter die vielen positiven Reaktionen mischen sich auch kritische Stimmen, mit denen ich lernen muss, umzugehen. Die Nachhaltigkeit des Projektes wird hinterfragt, die Umsetzung und sogar seine ganze Berechtigung. Außerdem wird meine Motivation in Frage gestellt. Ich werde als Kolonialist abgestempelt, der sich durch Spendenhilfe in Afrika profilieren will.
Doch dann meldet sich Father Joseph über eine Nachricht auf Facebook:
Hello Friends from Berlin,
I salute you all and I thank you for all the work you are doing. I am Fr. Joseph-Mary Kavuma from Nandere Parish, in Uganda. And I take this chance to thank you very heartily for accepting to be part of us by sharing in our suffering. You have done us great through the generous contributions towards our water project.
I am most grateful to you all, most especially Steven, who took charge to mobilise and sensitise you on this great need for water. Nandere is the oldest Parish in Kasana-Luweero Diocese, having been founded by the Missionaries of Africa way back in 1899. We wish to provide water to the 5 communities at the Parish Headquaters; namely the Parish Community, the Sisters and the orphanage, 2 Primary schools and the Health Center. Members from all the 5 communities share one borehole which was built 15 years ago, it keeps breaking down due to old age and excessive pressure. The situation becomes unbearable during the school going days coupled with prolonged dry spells as a result of climate change.
We really need your support to go out of this mess!
Wishing you God’s Choicest blessings in all.
Fr. Joseph-Mary.
Diese Nachricht macht mir wieder Mut und erinnert mich und alle Beteiligten daran, für wen das Spendenprojekt bestimmt ist. Die Monate November (2083 Euro) und Dezember (3087,09 Euro) werden damit die erfolgreichsten Spendenmonate.
Mittendrin das böse Erwachen.
Ich muss den Projektbedarf von 7015 Euro auf 9215 Euro erhöhen. Bei meiner ersten Kalkulation im Juni hatte ich einige Kostenpunkte, wie etwa die Anreise und medizinische Versorgung der Projektbeteiligten, nicht berücksichtigt.
Dank meinem Freund David, der zu seinem Geburtstag ebenfalls um Spenden statt Geschenken bittet, einem Radiointerview und meinem ehemaligen Kollegen Ecki gelingt es, das Funding am 10. Februar abzuschließen. Rettung in letzter Sekunde, denn in elf Tagen geht mein Flug nach Uganda.

Meine Freude mindert sich fünf Tage später. Ich erfahre vom plötzlichen Tod des Vertreters meiner damaligen Volunteeringorganisation. Am frühen Morgen des 15. Februars hatte Godfrey einen tödlichen Autounfall.
Ich werde nie vergessen, wie er mich zum Abschied zum Bus brachte, mir alles Gute für die Zukunft wünschte und verschwand. Zehn Minuten später tauchte er neben meinem Busfenster wieder auf und fragte, ob er mich nach Kampala begleiten solle. Er sorge sich um den 1,92 Meter großen und fast 100 Kilogramm schweren Mzungu.
In Österreich hatte Godfrey studiert und hätte die Chance gehabt, in Europa zu bleiben. Doch er entschied sich für Uganda. Weil er sein Land liebte und niemanden zurück lassen wollte. Godfrey war einer der liebenswürdigsten Menschen, die ich jemals getroffen habe.
* * *
Leserpost
Schreib uns, was Du denkst!
Guido on 4. Dezember 2016
Nach der Hälfte des Artikels hatte ich gedanklich bereits einen Totalverriss als Kommentar formuliert: Was für ein Schwachsinn, als wenn man Westler einfliegen müsste, um einen Baum zu beschneiden oder den Busch zu mähen. Als wenn die Locals diese Arbeit nicht erledigen können. Der Volontärtourismus ist mittlerweile ein Geschäft, bei dem Unternehmen im Westen mit Menschen auf dem Selbstfindungstrip Milliarden verdienen. Den Menschen vor Ort in Afrika hilft das nicht.
Aber Du hast das selbst reflektiert: «Doch ich habe nicht wirklich den Eindruck, etwas Wertvolles bewirken zu können. Schlimmer noch. Ich habe das Gefühl, einem Menschen den Arbeitsplatz wegzunehmen.» Soweit kommen die meisten Volontäre nicht. Und danach wird der Artikel ganz großartig. Auch der Brunnenbau schadet vielerorts in Afrika mehr als er nützt. Aber das hier hört sich nach einem sinnvollen Projekt an. Großer Respekt!
Steven on 6. Dezember 2016
Hallo Guido,
ganz lieben Dank für dein sehr ehrliches Kommentar. Der Text spiegelt das ganze Projekt in chronologischem Ablauf wieder. Anfangs bin ich an die Sache natürlich ganz anders rangegangen.
Besonders nach der Rückkehr habe ich mich viel mit dem Thema der Entwicklungshilfe beschäftigt. Ja, Volunteering ist oftmals ein reines Abenteuer für den Volontär. Der Erfahrungsgewinn für die Einheimischen ist minimal oder gar nicht vorhanden. Auch das war in meinem Fall anders – weil wir es fortgesetzt haben. Father Joseph war ja im Mai bei uns in Berlin. Da konnte er viele Eindrücke und Erfahrungen mitnehmen. Es ist geplant, dass er wieder kommt. Dann macht er auch Praktika im Land- und Forstwirtschaftsbau und nimmt Wissen mit, das sicherlich nicht von mir kommt. :D
Meine damalige Volunteeringorganisation Karmalaya schätze ich dennoch sehr positiv ein. Sie planen Projekte langfristig, schaffen Arbeit und Verdienstmöglichkeiten für Einheimische und informieren rundum gut.
Beste Grüße,
Steven
Fr. Joseph-Mary Kavuma on 6. Dezember 2016
Steven is a Great Man, he has a big heart and a lot of love for other people. He gave us the chance to live and work with a ‚Mzungu‘ for the very first time and our life here in Nandere will never be the same again! May God bless you Steven, your Family and Friends for the love and care you extended to my people!
Steven on 7. Dezember 2016
Thanks Father!
But it wasn´t just me. We did it together.
Steven
Max on 16. Februar 2017
Ein wundervoller Bericht. Der ziemlich lang ist, und mich – ähnlich wie bei Guido – am Anfang etwas zweifeln ließ, was denn „der weiße Mann“ da zu suchen hat.
Und sehr schade, dass du am Ende weg musstest. Aber ein unglaubliches Engagement, und am Ende sogar ein Happy End.
Wirst du noch einmal hinfliegen?
Gruß, Max
Anye on 7. September 2018
………damn, absolut stark, geile Sache! bleib gesegnet! Anye
http://www.akumalam.org
Iolanta Zakharova on 22. Juli 2021
Hello Steve!
Really enjoyed reading your article & Experience!
Life Uganda is showcase of struggle in Life & all you humans must understand importance & definition of life!
Coming to Bright side, Have you been to Dubai they have lot to offer you for travel experience + they have hotels which is well know for best hotels to stay in Dubai!
koz.hk on 29. Oktober 2021
Thank you for sharing tips about road trip and I hope keep posting.