Am nächsten Morgen zurück in Kin Pun wartet niemand, zumindest nicht auf uns, und vor allem kein Bus. Ken und ich klappern mehrere Shops ab, die uns übereinstimmend versichern, das nach Mawlamyine nur Pick-ups fahren. Für mich klingen drei Stunden auf der Ladefläche nach einer Menge Spaß. Gut eingecremt mache ich es mir auf den Taschen gemütlich. Dass es am Ende sechs Stunden werden ist kaum eine Überraschung – damit muss man rechnen.

Gelegen an der Mündung der Flüsse Salween und Gyaing, ist Mawlamyine umrahmt von sanften Hügeln, in denen goldene und weiße Pagoden glitzern. Chinesische Dschunken und Passagierschiffe kreuzen auf dem Fluss und zu den Inseln im Golf von Martaban. Die Burmesen behaupten gern, Mawlamyine sei wie Yangon vor fünfzig Jahren. Auch wenn das wohl eher nur so eine Idee ist, weil die meisten von ihnen damals noch gar nicht gelebt haben dürften. Man stellt sich halt vor, dass diese Atmosphäre hitzegeschwängerter Trägheit mit Menschen, die eingehakt unter knorrigen Tamarindenbäumen und Palmen flanieren, typisch gewesen ist für eine Stadt im Süden.
Passend zur nostalgischen Atmosphäre gibt es in Mawlamyine viele alte Bauten, und so ziemlich jeder Reisende liebt Kolonialhotels. Renoviert sind sie allerdings oft unbezahlbar, im Originalzustand ein Risiko, da sie oft jahrzehntelang als Regierungshotels gedient haben. Das äußert sich in Bädern mit gesprungenen Waschbecken, Hocktoiletten und der großflächigen Verwendung von Teppichböden. Diese Auslegeware, unter der sich meist noch die originalen und sehr schönen Marmorfliesen oder Teakparkett verbergen, ist entweder völlig verschlissen oder so hochflorig, dass man gar nicht wissen möchte, welche Biotope sich dort im Lauf der Jahre angesiedelt haben.
Trotzdem liebe ich persönlich diese morbide Atmosphäre und: es gibt ja Badelatschen.
Wir haben uns in einem Hotel einquartiert, in dem man wunderbar einen kolonialen Horrorfilm drehen könnte. Das Than Lwin Hotel wirkt im Internet prächtig und hat die typische Architektur Mawlamyines mit großer Treppe zum Fluss, einer mehrstöckigen Lobby, durchbrochenen Gittern, Schnitzereien und einem Wandelgang mit farbigen Glasfenstern. Ich habe wohlweislich das billigste Zimmer in einem Anbau gebucht, welches zwar von oben bis unten gekachelt, aber nagelneu ist. Die Suite von Ken und Suse hingegen entpuppt sich als eine düstere Höhle mit staubigen Samtvorhängen und Original-Mobiliar. Ein knarrendes Bett, dick lackierte Teak-Paneele an den Wänden, cognacfarbenes Interieur und tonnenschwere Massivholzmöbel. Und natürlich möglichst wenig Licht. Je näher man dem Äquator kommt, desto mehr verabscheuen die Einheimischen Sonnenlicht in ihren vier Wänden. So auch hier: das einzige Fenster lässt sich nicht öffnen, ist zugestrichen und vergittert. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Ich finde die Suite sensationell, aber Ken und Suse finden die Aussicht, hier ihren Hochzeitstag zu verbringen, wenig prickelnd. Schließlich ziehen sie auch in den neuen Flügel, aber die meiste Zeit verbringen wir damit, die unverschlossenen Zimmer des alten Teils zu inspizieren, wobei wir immer wieder von dem uralten Butler erwischt werden, dessen Uniform genauso verschlissen ist wie alles andere. Er ist uns als den einzigen Gästen ständig auf den Fersen und versteht überhaupt nicht, was wir dort suchen und kichernd fotografieren. Leider hindert er uns daran, in den wegen Einsturzgefahr gesperrten Turm vorzudringen.

Nach zwei Nächten in Mawlamyine werden wir bei Sonnenaufgang von einem Mini-Bus abgeholt, der uns zum Jetty am Salween River bringt. Das System der Mini-Busse funktioniert wie in anderen asiatischen Ländern auch in Burma nahezu perfekt. Selbst bei größeren Verspätungen braucht man kaum Angst zu haben, einen Anschluss zu verpassen, da alle ständig per Mobiltelefon miteinander in Kontakt sind. Zeitangaben sind damit zwar sehr fließend, aber es passiert selten, dass einem das nächste Verkehrsmittel vor der Nase wegfährt.
Das ist in diesem Fall ein Boot. Zwei Longtail-Boote mit jeweils sechs Stühlen und einem Verdeck aus Plastikplane warten auf uns am Ufer. Ken schießt auf das erste Boot zu, bleibt im Schlamm stecken und verliert kurz einen seiner Latschen. Dafür sichert er uns die vorderen Plätze: Höflichkeit könne er sich nicht leisten, meint er, er sei schließlich zum Arbeiten hier. Eine Gruppe Koreaner mit extralangen Foto-Objektiven wird ins Heck verwiesen, zwei von ihnen fangen kurz nach dem Ablegen laut an zu schnarchen, der dritte wippt für Rest der Fahrt mit geschlossenen Augen zum Heavy Metal, der leise aus seinen Kopfhörern wummert.
Mawlamyine ist durch die längste Brücke Burmas mit der Stadt Mottama verbunden. Die imposante, etwa drei Kilometer lange Stahlkonstruktion ist ein Wahrzeichen der Stadt, und es gehört sicher zu den unangenehmsten Erfahrungen, an ihren Pfeilern vorbei aufs offene Meer getrieben zu werden, wenn man ahnt, dass das nächste Festland Indien ist und das Handynetz nicht funktioniert. Schon kurz nach dem Ablegen fängt der Motor an zu stottern und während das zweite Boot an uns vorbeizieht, gelingt uns nach einer halben Stunde die Notlandung auf Shampoo Island, das wegen eines historischen königlichen Haarwäsche-Rituals so heißt. Hier funktioniert zum Glück das Mobilfunknetz wieder, und die Mannschaft ruft nach Hilfe.
Eine weitere Stunde später erscheint am Horizont ein anderes Boot, das genauso zweifelhaft wirkt wie unseres, und endlich geht es flussaufwärts. Vor Hpa An erscheinen in den saftig grünen Reisfeldern schroffe Karstberge, malerische Gesteinsformationen, wie man sie sonst aus dem Norden Vietnams oder dem chinesischen Guilin kennt. Sie entstehen durch großflächige Verwitterung von Kalkstein im Laufe der Jahrtausende und formen oft geheimnisvoll aussehende, natürliche Kunstwerke.
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Leserpost
Schreib uns, was Du denkst!
Viktor on 20. Mai 2017
Danke für die Kopfweltanleitung! Hat Spaß gemacht zu lesen.
Claudia on 21. Mai 2017
Toller Bericht und super Fotos…..macht Lust gleich den Rucksack zu packen und loszuziehen.
Für mich als Tempeldepp steht Burma auch noch auf der Liste……..
Freue mich auf weitere Berichte
Sabine Brinkmann on 21. Mai 2017
Beeindruckende Bilder!
Wie wird das Land in 10 Jahren aussehen?
HAKUNA matata on 21. Mai 2017
Ein sehr gelungener Abriss Eures Trips durch Burma.
Vor allem die super getroffenen Fotos verdienen von mir ein außerordentliches Extralob. Da bekomm ich dann gleich wieder akutes Fernweh.
Bleibt nur für Burma wirklich zu hoffen, dass die anstehenden Veränderungen das Ursprüngliche in Burma nicht zu stark verändern und die leuchtenden LED-Werbetafeln dann nicht alles Schöne überstrahlen und überdecken. Denn die Ursprünglichkeit macht für mich Burma aus und macht es so liebenswert für mich – egal welche Strapazen man selbst für dessen Erkundung aufnehmen muss. Ich hoffe inständig, dass sich die „alte Patina“ nicht so schnell einfach „wegpolieren“ lässt und über weitere viele Jahre noch so ursprünglich erhalten bleibt.
Dafür entzünde ich an dieser Stelle jetzt ad hoc ein Räucherstäbchen und rubble etwas Blattgold – ja wohin nur soll ich das Eckchen Blattgold hier bei mir in Good Old Germany rubbeln? VERSCHWENDUNG – denke ich! Na gut ich verwahre es gut bei mir und warte geduldig, bis auch ich mich am Goldenen Felsen einfinde und mich dann ganz sachte verewigen kann.
PS: Meine triste weiße Wand im Flur gibt mir just in diesem Moment zu verstehen, dass sie sich auf den ersten Blick in den Fineart-Print „Brücke über den Kan Thar Yar Lake, Hpa An“ verliebt hat. Die Wangen der Wand erröten auch schon ganz leicht. Sachen gibt’s. ;-)
Ulrike on 21. Mai 2017
Danke, so kann man sich im Kopf hinträumen! Die Bilder sind ja so lebendig und scharf, als wär man vor Ort.
Chris Kaiser on 21. Mai 2017
Bei den Bildern und dem Text, da will man ja sofort zum Flughafen. Echt klasse
Manja on 21. Mai 2017
Ein Artikel, der sich gut weg liest und wo man die Reise sehr schön nachvollziehen kann.
Auch die Bilder und Videos sind gut gelungen und geben einem den Einblick zwischen Leben und Tourismus.
Vielen Dank für die Reise nach Burma
Mathias on 21. Mai 2017
Ein toller und sehr ausführlicher Bericht, der Lust auf einen Besuch in dem aufregenden und aufstrebenden Land macht. Hier ist noch viel zu entdecken!
Viele Grüße
Daniela Jungmeyer on 21. Mai 2017
Ein toller Bericht, der echt Lust darauf macht, gleich dorthin zu starten – da wird echt die Reiselust geweckt!
Alexandra on 22. Mai 2017
Unglaublich schöne Bilder von einem noch unglaublicheren Land!
Ich liebe die Art, wie Martin schreibt, da sie sofort ein geistiges Bild vor Auge zeichnen und tiefes Fernweh in mir wecken.
Wer weiß, wie lange man noch auf diese Art und Weise durch Myanmar reisen kann?!
Bjoern on 24. Mai 2017
Perfekt in Wort und Bild, eine wahre Freude für Reise-Fans, hab´s all meinen Freunden gesendet. Vielen Dank an Travel Episodes!
Bjoern Hartge
Oliver Wiegand on 24. Mai 2017
Das ist ja eine super Bericht!
Joachim on 24. Mai 2017
Muss eine tolle Reise gewesen sein.
Mein letzter Asientrip liegt 20 Jahre zurück. Der Bericht weckt wieder die Sehnsucht
Brigitte H. on 24. Mai 2017
Tolle Bilder.Würde mich über den Gewinn sehr freuen.
webbra on 24. Mai 2017
Tolles Land , das man bei diesen Bilder , am liebsten sofort bereisen will .
Astrid on 24. Mai 2017
Ein sehr, sehr schöner Bericht mit super Bildern. Da glaubt man fast man war selber dabei :-)
Dominik on 24. Mai 2017
Das das Reisen in diesem Fall bildet, liegt wohl auf der Hand.
Weiter so!
Diana on 24. Mai 2017
Sehr interessanter Bericht mit tollen Bildern. Danke für die Einblicke …..
Christof on 24. Mai 2017
Ein hochinteressanter Bericht mit tollen Fotos
Alexandra on 24. Mai 2017
Geniale Inspirationen – wenn die Kinder erst aus dem Haus sind, kann es los gehen
Renate on 24. Mai 2017
Der Bericht und die Bilder machen Lust aufs Reisen!
Franzi on 24. Mai 2017
Ein wunderschönes Foto! Irgendwie ruhig und lebendig zugleich. Mehr solche Berichte und Reportagen bitte! Und vor allem viele solche schönen Bilder!
Norbert Wild on 24. Mai 2017
Traumhaft schöne Fotos, Bilder aus einer anderen Welt, die einen berühren.
Marga on 25. Mai 2017
Ein traumhaftes Land.EIne andere Welt.
Da hat man sofort Lust hinzufahren.
Leider bin ich zu schissig für solche Touren.
Ich kuck und lese lieber so tolle und informative Blogs wie diesen hier.
Stefan on 25. Mai 2017
Wahnsinns Bilder und instant Fernweh.
Steffi H. on 25. Mai 2017
Interessanter Reisebericht. Hat mich sehr inspiriert
Sandy on 25. Mai 2017
Ein toller Bericht und vorallem sehr schöne Bilder <3 vielen Dank dafür! :)
Kai on 26. Mai 2017
wow, noch nie dort gewesen, das aber macht extrem viel Lust darauf, hinzureisen… sehr schöne Bilder!
Reinhard on 26. Mai 2017
Großartig!!!!!!
Stefan on 26. Mai 2017
Hallo is ne schöne Gegend
Julia on 26. Mai 2017
Einfach wow !
Bin auf den nächsten Trip gespannt
Thomas on 26. Mai 2017
Macht Lust direkt wieder den Koffer zu packen – und Los…..
Diana on 26. Mai 2017
Tolle Bilder. Traumhaft schön, die die Lust am Reisen und entdecken wecken
Martina on 26. Mai 2017
Wenn man schon nicht diese atemberaubenden Gegenden bereisen kann, so ist es doch schön wenigsten anhand der Bilder davon zu träumen
Barbara on 26. Mai 2017
jetzt hat mich das Reisefieber wieder mal gepackt!
Andrea Braun on 26. Mai 2017
Ich würde sehr gerne das Fineart-Print „Brücke über den Kan Thar Yar Lake, Hpa An“ gewinnen.
Liebe Grüße,
Andrea Braun
Simon on 26. Mai 2017
Allerdings ist jedes Landschftsbild auf der Seite sehr schön
Petra on 27. Mai 2017
Eine sehr schöne Reiseepisode durch eine wenig besuchte Region dieses wunderbaren Landes! Mit ganz tollen Bildern! Danke!
Trotz der Öffnung Myanmars und dem Anstieg der Besucherzahlen ist zum Glück noch kein Massentourismus in das „Goldene Land“ eingefallen. Die beschriebene Route kann man nun übrigens auch von Thailand aus kommend überland bereisen. Über den Grenzort Mae Sot ist die Einreise mit Online-Visum problemlos möglich. Eine vollkommen neue Erfahrung, wenn man die ehemals strengen Reisebedingungen Myanmars betrachtet.
Oliver W. on 5. Juni 2017
Seit ein paar Wochen wieder zurück aus Myanmar, konnte ich die Reiseepisode mit einigem Schmunzeln/ Lachen und Zustimmung nachvollziehen.
Ob es die Zugfahrt In der Holzklasse war, die Fahrt auf dem Ayawaddy oder die ganz normalen Begegnungen. All das wird dauerhaft in Erinnerung bleiben. Hilft es doch sich von Zeit zu Zeit neu zu erden.