Als wir dann relativ günstige Flugtickets nach Norwegen finden, fühlt sich die Vorstellung, dorthin zu fliegen, wahnsinnig erleichternd an. Wir vergleichen dieses Gefühl mit dem, was wir fühlen, wenn wir an Hawaii und Kalifornien denken, und es wird uns sofort klar, was wir zu tun haben. Folgt eurem Herzen, hat Bernhard gesagt. Also bestellen wir sie einfach, die Tickets nach Norwegen. Neun Tage später sitzen wir im Flieger nach Bangkok, wo wir fünf ruhige Tage verbringen.
Wir wohnen im gleichen Hostel, gehen zum gleichen Markt und essen die gleichen Hähnchenspieße mit Sticky Rice wie damals. Für die Kinder ist es jetzt völlig normal, in Bangkok zu sein, sie fühlen sich wohl hier, ganz anders als vor zehn Monaten. Ich denke an unseren Flug nach Norwegen und fühle mich leicht. Es erscheint surreal, dass uns nur eine dreißigminütige Taxifahrt von dem Flughafen trennt, an dem wir in wenigen Tagen ein Flugzeug einer norwegischen Fluggesellschaft besteigen werden, das uns zurück nach Europa bringen wird.
Ein paar Tage später kommen wir dann in Norwegen an. Wir steigen in einen Zug, und als wir eine Stunde später wieder aussteigen, steht die ganze Familie meiner Frau am Bahnsteig.
Da sind Tanten, Onkel, Cousinen, Cousins, der Opa und die Oma. Menschen, die wir liebhaben und viel zu lange nicht gesehen haben.
Unsere Kinder, die nichts von diesem Empfang geahnt haben, flippen völlig aus. Sie lachen und weinen vor Freude und stürzen sich übermütig in die Arme ihrer Verwandten.
Wir genießen es, wieder in einer vertrauten Umgebung zu sein, umgeben von Leuten, die uns wichtig sind. Und da es an den nächsten Tagen richtig schönes Sommerwetter gibt, gehen wir immer wieder zum Strand, um uns im Oslofjord abzukühlen. Kindheitserinnerungen werden wach und mir wird klar, wie sehr ich diesen Fjord liebe.

Doch nach ein paar Tagen wird es wieder ernst. Wir fangen an, im Internet nach einer Wohnung in Deutschland zu suchen. Am liebsten wollen wir in der Natur wohnen, ähnlich wie wir es auf Tasmanien gemacht haben. Es ist uns zwar klar, dass das in Deutschland schwierig werden kann, wir wollen es aber trotzdem versuchen. Die Suche bleibt erfolglos. Je mehr Wohnungen wir uns anschauen, desto verlorener fühlen wir uns. »Vielleicht sind wir ein wenig verwöhnt«, denken wir. Wir können es uns einfach nicht vorstellen, so ein bisschen im Grünen zu wohnen. Wir wollen mitten in der Natur sein. Umgeben von Flüssen und Seen und Wäldern. »Eine Wohnung auf einem Bauernhof wäre toll«, sagen wir uns und klammern uns immer noch an die Hoffnung, dass wir doch noch etwas finden werden. Dann ruft uns plötzlich Marias Bruder an.
»Hey, ich hab die perfekte Wohnung für euch gefunden!«
»Wie jetzt, in Norwegen?«
»Ja, schaut’s euch an. Ich hab euch einen Link geschickt. Es ist auf einem Bauernhof. Im gleichen Haus wohnt ’ne andere Familie und die suchen genau so Natur-Freaks wie euch!«
Wir schauen uns die Anzeige an, und sie scheint tatsächlich wie für uns geschrieben:
»Wir suchen eine Familie, die naturverbunden leben möchte und sich vorstellen kann, mit uns biologisches Gemüse für den Eigenbedarf anzubauen. Außerdem wäre es schön, wenn wir zwischendurch etwas Gemeinsames in der Natur unternehmen und uns gegenseitig mit den Kindern aushelfen würden.«
Dazu gibt es wunderschöne Bilder von der Umgebung. Wald, Wiesen, Hügel, so weit das Auge reicht. Ein Fluss grenzt direkt an den Bauernhof und es gibt viele schöne Seen in der Nähe. Eine Wohnsiedlung mit anderen Familien und Kindern liegt nur 500 Meter entfernt. Es sieht fast perfekt aus. Das einzige Problem: Es ist im falschen Land. Ich wollte unbedingt wieder nach Deutschland zurück. Maria eigentlich auch, aber ihr fällt es leichter sich mit dieser Idee anzufreunden.
Ein paar Tage später fahren wir hin, um uns die Wohnung anzuschauen. Es ist noch schöner dort, als wir es uns vorstellen konnten, und wir verstehen uns auf Anhieb mit der Familie, die dort bereits wohnt. Maria möchte sofort zusagen, doch ich bin innerlich hin- und hergerissen. Eine ganze Woche brauche ich. Doch Tag für Tag spüre ich, wie etwas in mir wächst. Es fängt jedes Mal zu kribbeln an, wenn ich an diesen Bauernhof denke. Und plötzlich merke ich: Ich will diese Wohnung. Der Ort ist einfach perfekt für die Kinder, für uns alle. Verdammt, es ist doch genau das, was wir wollen!

Also sagen wir zu und sind überglücklich, als wir zwei Wochen später unsererseits die Zusage bekommen. Die Kinder und auch wir Erwachsenen können es kaum erwarten, auf einem richtigen Bauernhof zu leben.
Es mag vielleicht das Ende einer großen Reise sein, aber für uns ist es vielmehr der Anfang eines neuen Abenteuers.
* * *
Leserpost
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henryk on 28. Dezember 2016
Hi Thor,
das kommt mir alles sehr bekannt vor (auch wenn wir damals ohne Kinder unterwegs waren).
Super geschrieben und natürlich auch tolle Bilder!
sechspaarschuhe.de habe ich auf jeden Fall im Visier.
Vielleicht sieht man sich ja mal in Norwegen.
Cheers, Henryk
Thor on 1. Januar 2017
Vielen Dank, Henryk!
LG Thor
Reisender on 13. Januar 2017
Ein großartiger Text, ich war richtig traurig, dass er schon zu Ende war. Was für eine tolle Lebenseinstellung :)
Nathalie on 2. April 2017
Lieber Thor,
ich danke Dir für dieses wunderbare Lesestück, es hat mich sehr berührt. Ich bewundere Euren Mut, dass Ihr Eurem Herzen tatsächlich gefolgt seid und gelernt habt, wie man das macht. Es klingt so einfach und doch ist es das gar nicht. Dass Ihr letztendlich in Norwegen geblieben seid, kommt mir nur logisch vor. Ich hatte das Glück, bereits elf Mal in Norwegen gewesen zu sein, von Lindesnes bis zu den Lofoten habe ich viel gesehen. Und immer dieses Gefühl der Unaufgeregtheit, die Ruhe, die die Natur im Herzen schafft und ein Gefühl von Zuhause…sagt die Deutsche, die es bislang von Frankfurt nach Hamburg geschafft hat. Ich wünsche Euch eine wunderbare Zeit und glaube fest, dass Ihr Euren Kindern ein großartiges Geschenk gemacht habt, ihnen Freiheit, Offenheit, Flexibilität mitgegeben habt. Alles Gute!
Bärbel on 1. Mai 2019
Meine Hochachtung vor euch.. ihr habt euren Traum wahr gemacht.. ihr seid so eine tolle Familie und ich wünsche euch für die Zukunft alles alles Schöne und noch viele tolle Reisen mit euren Kindern. Geniesst die Zeit mit ihnen, sie werden einfach zu schnell gross und gehen dann ihren eigenen Weg.